Verlagsräume in Mainz und Berlin, Vegankochbücher und die Geduld des Papiers. Ein Gespräch mit Ventil

www.ventil-vegan.de

Warum hat der Ventil-Verlag vor ein paar Wochen in der Florastraße in Berlin-Pankow eine Dependance eröffnet?

Wir machen Dinge gerne dann, wenn sie gerade nicht angesagt sind. Konkret haben wir aber eigentlich nur eine Bürofläche für unsere Leute in Berlin gesucht. Dabei haben wir festgestellt, dass Coworkingflächen fast genausoviel wie ein Laden kosten und dazu noch total seelenlos sind. Also haben wir unseren Traum realisiert: Wir präsentieren unsere Popbücher zusammen mit dem dazu passenden Popvinyl und stellen unsere Vegankochbücher in einen Küchenschrank. Ein Laden nur mit den eigenen Büchern: Mehr Egobefriedigung geht nicht für einen Verlag.

Was erwartet die geneigte Besucherin in den Räumen?

Alle Bücher, die es aktuell von Ventil gibt, die dazu passenden Platten, Sitzgelegenheiten, ’ne Tasse Kaffee, wenn man nett ist, und eine vierteljährlich wechselnde Buchauswahl befreundeter Verlage – aktuell Reprodukt und Zuckersüß. Außerdem ist der Laden Treffpunkt für und mit unseren Autoren und, wenn es sich ergibt, auch mal Lesungsort, Signierstube, Konzertklub.

Ist Berlin für Ventil das bessere Mainz?

Für uns ist Mainz das bessere Berlin und Berlin das bessere Mainz, je nachdem, wo wir gerade sind. Und dann müssen wir unsere Liebe jetzt auch noch auf Hamburg aufteilen. Das Schöne für einen Verlag ist, dass er sich asexuell vermehren und an mehreren Orten gleichzeitig sein kann.

Die Vegananarchistin und strafverfolgte Kapitänin Pia Klemp hat vor kurzem bei Ihnen einen Roman herausgebracht. Warum sollen wir ihn lesen?

Weil der Roman »Entlarvung« sehr gut ist. Weil Pia das macht, was wir uns selbst – nicht immer – trauen. Weil der Roman genau die Frage thematisiert, warum das so ist und was wäre, wenn wir es doch mal täten.

Ventil ist mit Büchern zum Pop/Punk groß geworden. Wie kam die vegane Buchstrecke zum Verlag, und was sagt der Literaturpunk Jan Off dazu?

Tatsächlich waren Pop und Vegan bzw. Vegetarisch von Beginn an bei uns vereint. Mit dem Ox-Kochbuch haben wir schon 1997 Veganes und Vegetarisches aus der Punkrockküche präsentiert.

Wie geht’s? Wie hat Mainz Corona überstanden?

Mainz ist gebeutelt, wie alle Städte mit vielen Studierenden. Wenn 30.000 Personen fehlen, sind alle Kneipen leer, selbst wenn sie öffnen können. Nun kehrt Leben zurück, und alle schauen, was noch da ist – sieht gut aus – und was neu gestartet werden kann – sieht noch besser aus. Unsere größte Sorge ist derzeit, dass unsere Programmkinos verschwinden. Ein berüchtigtes Immobilienunternehmen droht die letzten Kinosäle plattzumachen.

Ventil selbst geht es gut. Wir sind so klein und arbeiten zu so unterschiedlichen Zeiten, dass wir selten mit mehr als zwei Personen gleichzeitig besetzt sind. Zudem sind Bücher recht widerständig.

Haben die Leute in der Pandemie mehr gelesen? Was wurde besonders gern gekauft?

Auf jeden Fall haben sie Bücher gekauft. Die Zeit zum Lesen gibt es immer.

2020 erschienen die Tocotronic-Songcomics bei Ventil. Ist das der Beginn einer Comicära?

In einer Rezension hieß es zu dem Buch, dass wir damit die Musikrezeption um eine weitere Variante (Konserve, Konzert, Video etc.) erweitert hätten. Das ist doch schon mal ganz schön viel. Wir sind jedenfalls inspiriert und werden zusammen mit unserer neuen Lebenspartnerschaft aus Hamburg einige weitere Projekte dieser Art veröffentlichen.

Was gibt es noch für Pläne? Wird Ventil demnächst dem alles auffressenden Multi Random House Konkurrenz machen?

Wenn uns jemand kaufen will, dann sicher nur, um uns wegen Unrentabilität sofort zu schließen. Da machen wir uns lieber selbst zum Multi. So haben wir eben gerade eine Kooperation mit dem Label Tapete Records geschlossen. Das war so logisch, konsequent und überfällig für einen Popverlag, dass wir es selbst kaum glauben konnten, dass es erst in diesem Jahr passiert ist. Und es ist auch noch eine rührende »Coronageschichte«, da es beim Bier vor dem Supermarkt zustande gekommen ist.

FSV Mainz oder SV Wehen-Wiesbaden?

Kein Kommentar.

June Welt Ausgabe vom 19.10.2021, Seite 11 / FeuilletonLITERATUR, von Frank Willmann

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Seit dem 01.03.2021 kannst du uns in Berlin in unserer Ventil Verlagsbuchhandlung besuchen, in unserem gesamten Programm (also nicht nur vegane Titel, sondern auch Pop, Feminismus, Punk, DIY, Film, Comics und vieles mehr) stöbern. Und wenn du magst, auch gleich vor Ort ein Buch kaufen.

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